Lettland 1

Wir kommen nach Lettland! Die Einreisformalitäten sind denkbar einfach. Kein Mensch will etwas sehen, wir passieren lediglich das Schild und dann sind wir drin. Das ehemalige Gebäude am Grenzübergang ist schon lange nicht mehr in Betrieb. Wir freuen uns, wenn eine Grenze so einfach zu übertreten ist.

Lettland präsentiert sich wieder erstaunlich anders als Estland. Kaum haben wir die Grenze überquert, verändert sich wieder viel: andere Sprache, andere Schilder und andere Straßensituation für uns Radler. Der offizielle Radweg geht zu großen Teilen über nicht asphaltierte Strecken unterschiedlichster Qualität: Schotter, Sand, Schlaglöcher. Es ist das gesammelte Radreifengruselpanoptikum.

Entweder wir fahren auf der A1: klingt nach Autobahn, ist auch so ähnlich. Es ist die Hauptverbindung von Riga nach Tallinn. Hier fahren viele LKW und es gibt so gut wie keinen Seitenstreifen. Nach den ersten 7 km A1 beschließen wir, dass wir diese Straße unbedingt meiden wollen.

Die Nebenstraßen führen durch wunderschöne Natur, entlang der Ostsee, durch kleine Dörfchen und alles könnte so idyllisch sein, wenn nicht der Straßenbelag wäre! Konzentriert man sich auf die Umgebung, landet man unweigerlich im Sand- oder Schlagloch und man bekommt von der Schönheit rechts und links nichts mit. Guckt man sich die Schönheit an….

Überhaupt haben die Letten eine scheinbar eigenwillige Vorstellung von einem Radweg. An einer Stelle, mitten im Wald, endet der Weg vor einem Tor mit der Aufschrift Privatstraße. Aha! Wir stehen ratlos mit unseren Karten und Navigationsgeräten herum. Da naht Hilfe: am Wochenende sind sämtliche Letten im Wald mit Korb und Messer ausgestattet um Pilze zu finden. So auch unser Retter, der uns eine Umgehung empfiehlt. Er hilft auch noch die Räder über den ersten dicken Sandhügel zu schieben…. Dann fahren wir gemäß seinen Anweisungen und landen am Strand. Das geht mit unseren vollen und schweren Drahteseln leider nicht. Außerdem erweist sich der ausgetrocknete Bachlauf an der Küste, den wir problemlos mit den Rädern passieren können sollen, als ausgewachsener, ca 15 Meter breiter Fluss. Also schieben wir durch Dickicht, Moos und sonstige Trampelpfade zurück zum Ausgangspunkt.

An der Stelle an der wir herauskommen sind wir nicht schlauer, doch wieder naht ein hilfreicher Lette. Er beschriebt den weiteren Weg, darin kommen ein Bahnübergang vor und weitere schwierige Straßenverhältnisse…. Wir wissen nicht so genau was wir davon halten sollen, weil wir aber auch keine Alternative haben folgen wir seinen Anweisungen, gelangen tatsächlich wieder auf den ausgewiesenen Radweg und fahren ein Stück A1 (geht nicht anders). Und tatsächlich, kaum haben wir die Hauptstraße verlassen, müssen wir die Räder über die Schienen hieven. Der Zug kennt das schon und hupt bereits zwei Kurven vorher um die querenden Menschen zu verscheuchen und nicht zu überfahren.

Wir ruckeln uns tapfer durch mit dem Erfolg, dass bei Ben zwei Schrauben locker sind. Also am Gepäckträger! Die eine Schraube können wir ersetzen und die ebenfalls entfleuchte Unterlegscheibe durch einen Kabelbinder ersetzen. Die andere Schraube fixiert den vorderen Gepäckträger, bzw. sollte sie das tun. Nun ist dort was durch das ewige Geruckel kaputt gegangen. Auch hier behelfen wir uns mit Kabelbinder. Danke an Ingo, der uns vor der Fahrt mit selbigen versorgt hat! Und, hey, irgendwann muss man ja die erste Panne haben!

Die Räder fahren noch und so ruckeln wir wacker weiter nach Riga! Wir übernachten an wunderschönen Stränden, erleben grandiose Sonnenuntergänge und finden Lettland im Standmodus ganz wunderschön.

11 Kommentare zu „Lettland 1

  1. Alle Achtung. Das sieht schon nervenraubend aus. Ich erinnere mich das mein Rumänien Tourguide damals gesagt hat: wenn in Google Maps der Weg abrupt endet, dann kommt auch nichts mehr. Vielleicht ist das ja auch bei euch hilfreich

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  2. Eieiei…das sind ja atemberaubende Strecken (wohl im wahrsten Sinne des Wortes)! Um die Sonnenuntergänge nebst Märchenmond allerding beneide ich euch! Gut zu hören, dass ihr trotz der Widrigkeiten wohlauf seid!

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  3. Mein Gott, das ist ja umwerfend, im wahrsten Sinne, gut, dass ihr zu zweit seid und zusammen schon jede Menge aufregender Dinge gemanagt habt!
    Gut, dass euch der Wegefrust nicht die Fähigkeit nimmt, all das Schöne und Freundliche wahrzunehmen und zu genießen!
    Die Bilder sind atemberaubend, und wenn man den Text dazu liest, erlebt man ein sehr lebendiges Stückchen Lebensbesonderheit! Toll!

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  4. Das ist ja Wahnsinn! Atemberaubend schöne Bilder und Augenblicke, die den Atem stocken lassen. Hoffe, dass ihr Drahtseile als Verstärkung für die Nerven geordert habt. Da muss man durch, wenn man diese Eindrücke haben will. Ich bin begeistert und beneide euch für viele schöne Momente. Bin auf die nächsten Abschnitte gespannt.
    Alles Gute.

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  5. Also ich habe jetzt beschlossen, euch nur um die schönen Seiten eures Abenteuers zu beneiden. Ich bewundere, dass Ihr trotz aller Widrigkeiten so gut drauf seid. Weiterhin viel Spaß und immer das Quäntchen Glück, dessen es bedarf!

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  6. Sind das wunderbare Fotos! Und immer schön lächeln! Her mit den Problemen, wir lachen sie weg!!
    Ben, ich kenne dich, wenn Katrin die Kamera weglegt, wird auch mal kräftig geflucht- aber dann geht’s weiter!!!
    Bei den Radwegen ist es jetzt ganz wichtig…
    …igSaR

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  7. Ihr Lieben,
    beneiden tue ich Euch nicht – aber bewundern, wie cool Ihr mit all den kleinen und großen Schwierigkeiten umgeht,
    die einfach zu jeder Abenteuertour dazu gehören !!

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