Daten und Fakten

Tage unterwegs: 302 Tage

Zurückgelegte Kilometer: 14.021 km

Erstrampelte Höhenmeter: 63.780 m

17 Länder: Norwegen, Finnland, Estland, Lettland, Deutschland, Österreich, Slowakei, Kroatien, Ungarn, Serbien, Montenegro, Italien, Frankreich, Irland, Wales, England, Niederlande

10 Hauptstädte: Helsinki, Tallinn, Riga, Wien, Bratislava, Budapest, Belgrad, Rom, Dublin, Den Haag (Regierungssitz)

Verbrauchte Kalorien: 739.037 ZSEs (Zimtschneckeneinheiten)

25 UNESCO Weltkulturerbestätten: Altstadt Tallinn, Altstadt Riga, Wachau und Kloster Melk, Historische Altstadt Wien, Budapest, Dubrovnik, Region Kotor, die Trulli von Alberobello, arabisch-normannischen Kirchen von Cefalu, Palermo und Monreale, Ätna, Tempel des Agrigent, Syracusa, Nuragen auf Sardinien, Noto, Pompei, Historische Altstadt Neapel, Rom, Val d‘Orcia (Toskana), Siena, Pisa, Arles, Avignon, Lyon, Tal des Burgund, Loire-Tal

10 Fährfahrten (hier zählen wir die langen Fahrten über Nacht, kleine Fahrten über Flüsse und Meerengen zählen hier nicht mit): Travemünde – Helsinki, Liepaja – Travemünde, Dubrovnik – Bari, Palermo – Genua, Genua – Palermo, Neapel – Cagliari, Olbia – Civitavecchia, Roscoff – Cork, Dublin – Holyhead, Kingston upon Hull – Rotterdam

18 Zugstrecken: Dortmund – Bünde, Bünde – Lübeck, Helsinki – Rovaniemi, Rovaniemi – Kirkenes (Bus), Lübeck – Göttingen, Göttingen – Würzburg, Würzburg – Regensburg, Baja – Budapet, Budapest – Baja, Belgrad – Bar, Catanzaro – Reggio Calabria, Genua – Dortmund, Dortmund – Genua, Messina – Salerno, Cagliari – Iglesias, Pisa – Ventimiglia, Ventimiglia – Marseille, Lyon – Macon

Platte Reifen: 0

Krank: 1x Corona in Liverpool (Ben und Kathrin)

Ankommen

Nachdem uns Bine Schlaps in Holland verlassen hat, um wieder nach Bremen zu fahren, treten wir die letzen Etappen an. Es geht zurück nach Deutschland, entlang des Rheins und der Lippe, vorbei an inzwischen reifen Kornfeldern und durch kleine Wälder. Alles fühlt sich merkwürdig vertraut an. Hier können wir alles (!) verstehen, wir kennen die Attitüden und die Atmosphäre. Ganz ohne Überraschungen geht es aber nicht: Wir wollen mit der Fähre über den Rhein setzen und stellen fest, dass das 2,50€ pro Person kostet. Dumm nur, dass wir unser gesamtes Geld gestern auf dem Campingplatz gelassen haben, um die Übernachtung zu bezahlen. Kris schildert unsere Not dem freundlichen Büdchenbesitzer und prompt bekommen wir die Überfahrt spendiert. Für alle Vier! Hurra und Dankbarkeit, Glück und Überraschung: es geht weiter!

In Recklinghausen wohnen Bens Eltern, bei denen wir uns mit einem Kaffee für die allerletzte Etappe und das Ankommen zu Hause stärken dürfen. Wir kennen den Weg und die Umgebung. So ist das Ruhrgebiet. Felder, Straßen, Wohnsiedlungen und zwischendurch unverhoffte Ausblicke und Ansichten.

Und dann sind wir zu Hause. Unsere Jungs empfangen uns. Sie wissen mit unseren Marotten und Eigenarten umzugehen, bereiten uns einen herzlichen Empfang und halten es aus, dass wir nicht so richtig wissen wie wir mit uns umgehen sollen. Es ist ein glückliches und wehmütiges Gefühlschaos. Unsere Räder haben jetzt nicht mehr so viel Gepäck zu schleppen, wir packen die Taschen aus und staunen, was wir alles dabei hatten.

Jetzt beginnt das nächste Abenteuer: zurück in den Alltag. Ben sieht dem Prozess eher gelassen entgegen, Kathrin ist ungeduldig und weiß sich selbst nicht einzuschätzen. Aber auch das wird werden. Wir haben viele Menschen, die uns freudig empfangen und begrüßen.

Danke an euch alle, unsere LeserInnen! Das Wissen, dass ihr lesend uns begleitet, hat uns gut getan, die Kommentare auf den verschiedenen Kanälen haben uns bereichert und beflügelt. Es hat sehr viel Spaß gemacht, für euch zu fotografieren und zu schreiben. Ihr habt beträchtlich zu unserer Reise beigetragen! Takk, Kiitos, Aitäh, Paldies, Vd’aka, Hvala, Kösz, Хвала, Grazie, Merci, Thank you, Dankuwell, Danke!

Niederlande

Wir landen in Rotterdam. Zumindest steht das auf dem Ticket, genau genommen landen wir aber 32 km vor Rotterdam in Europoort und fahren dann die Strecke an nicht endenden Hafenanlagen vorbei in die eigentliche Stadt. Dazu müssen wir laut Navi über die Maas, es ist aber weit und breit keine Brücke in Sicht. Und nun? Es gibt einen Tunnel, nur für Radfahrer und Fußgänger. Dazu kann man mit Fahrstuhl oder Rolltreppe hinunterfahren, unter der Maas hindurch radeln und auf der anderen Seite wieder hoch. Autos und Motorroller oder Mofas dürfen hier nicht fahren und so stinkt es auch nicht nach Abgasen.

In Rotterdam fahren wir zum vereinbarten Treffpunkt. Dort warten bereits Kris und Jörg auf uns und empfangen uns mit Luftschlangen und Luftballons. Sie wollen mit uns gemeinsam die Strecke nach Hause radeln. Was für ein Freude und ein Glück. Mit so lieber Begleitung ist das Ende unseres Jahres und das nach Hause fahren viel leichter. Wir fühlen uns aufgehoben und verstanden, denn es ist schwer, das Nomadenleben auf dem Rad zu beenden. Auch wenn wir es jetzt nicht verlängern wollen würden und uns auf zu Hause freuen.

Bevor wir aber tatsächlich in Dortmund landen, schauen wir uns Den Haag, Delft, Gouda und lauter andere kleine Städte in den Niederlanden an. Die Grachten in den Orten, mit dem gemächlichem Wasser, die vielen Backsteinbauten und Kirchen lassen uns staunen. Alles strahlt eine angenehme Ruhe und Entspannung aus. Und immer bimmelt oder glockt eine Turmuhr. Einfach nur die Stundenzahl, oder oft auch mit vollem Einsatz diverser Glocken und Glockenspiele. Zwischen den einzelnen Orten ist viel Fläche, über die wir hinwegbrausen. Flach, von Gräben und Grachten durchzogen und immer wieder (klar) Windmühlen. Wo viele Windmühlen sind, da ist auch viel Wind. Er schiebt uns Richtung zu Hause als würde er drängeln und sagen: „Nun macht schon, ist alles nur halb so wild…“

Bine Schlaps stößt auch noch zu unsere kleinen Gruppe, ebenfalls eine liebe Urlaubsfreundin. Sie kommt extra aus Bremen angefahren und bringt im Auto ein Faltrad mit. So können wir zu fünft im Park Hoge Veluwe umhersausen und uns Museum und Skulpturenpark ansehen. Mit viel Körpereinsatz nähern wir uns der Kunst an.

England 3

Für England braucht man keinen Reiseführer mitzunehmen, die Menschen hier sind so mitteilsam, dass man alle Informationen bekommt, ob man will oder nicht. Egal wo wir stehen oder sitzen, immer werden wir angesprochen und ausgefragt, was wir tun und wie es uns in England gefällt. Dann werden wir mit einer Flut von Informationen überhäuft und manches davon ist wirklich informativ!

Endlich wieder eine Zimtschnecke. Obwohl wir uns hier mit Scones auch sehr gut versorgen können. It’s teatime my dear.

Wir fahren auf dem Trans-Pennine Trail quer durchs Land von Liverpool im Westen nach Kingston upon Hull im Osten. Wunderbare Landschaften, viele Felder für Kühe und Schafe, mit Hecken und Mauern abgetrennt, und immer wieder uralte Bäume. Wir sind völlig geplättet von der Macht und Fülle dieser uralten Baumriesen. Und dann sind da wieder die Kanäle, kleinen Flüsse, Seen: es ist eine großartige Landschaft, ist es nicht?

Ein Herrenhaus sehen wir uns an und bestaunen, wie vor über hundert Jahren so ein Anwesen organisiert war. Und nicht nur damals wurden hier wunderliche Dinge getan: wir beobachten eine Gruppe von Menschen in weißer Kleidung, die erst Kricket spielt (nicht das Spiel im Sportstadion, sondern das auf dem Rasen, bei dem mittels eines Hammers ein Ball durch ein Tor bugsiert wird) und dann auf dem Rasen einen Tee nimmt. (Englischer Tee wird nicht getrunken, sondern genommen.) All das auf dem großartigen Gartenareal, das zu Bordsworth-Hall dazu gehört.

In York und Beverly schauen wir uns die Minster an (Kirchen). Beide sind im gleichen Stil erbaut und lassen uns staunen ob der Vielfalt und des Detailreichtums. In York machen wir eine Free-Walking-Tour mit. Unser Guide ist Brite durch und durch und so lachen wir und kringelig bei all den interessanten Geschichten, die mit einer ordentlichen Prise britischen Humors vorgetragen werden.

Und dann ist auch schon unsere Zeit in England vorbei und wir fahren mit der Fähre von Hull nach Rotterdam. Nicht mehr lange und wir werden wieder zu Hause sein.

Wales und England 1

Von Dublin wollen wir mit der Fähre nach Liverpool übersetzen. Das geht nicht, denn die Fähre nimmt nur motorisierte Gefährte mit. Bens Fahrrad mit Motor fällt nicht in diese Kategorie und Kathrins Bio-Bike schon gar nicht. Dann schippern wir eben nicht nach Liverpool, sondern nach Holyhead. Auch gut! Holyhead ist in Wales und von Wales haben wir keine Ahnung, nur, dass es im Titel des englischen Thronfolgers auftaucht. Wir dürfen eine landschaftlich beeindruckende Radtour über die Insel Anglesey erleben. (So heißt die Insel, auf de Holyhead liegt und die zu Wales gehört, aber dem Festland vorgelagert ist.) Wir radeln durch Weideland, sanfte Hügel rauf und runter, immer hohe Berge (Snowdonia) vor uns, die sich von blauen Scherenschnittgebilden in weiter Ferne zu sehr beeindruckenden hohen Berge wandeln. Bevor es zum Äußersten kommt und wir die Berge hochrackern, biegen wir ab und fahren an der Küste weiter rRichtung Liverpool.

Wir haben schon so viele Kilometer auf unseren Rädern zurückgelegt, sie haben sich wacker geschlagen und uns nicht im Stich gelassen. Aber ab und an müssen doch ein paar Schrauben nachgezogen und Teile ausgetauscht werden. Da wir in dieser Hinsicht nicht so versiert sind, suchen wir einen Radladen auf, damit unsere treuen Drahtesel gut versorgt werden. Wir brauchen neue Ketten, Ritzel und Bens Rad braucht einen neuen Ständer. In einem kleinen Radladen weist man uns mit großem Bedauern ab, weil wir keinen Termin haben und der Mechaniker ohnehin schon Sonderschichten schiebt. Aber immerhin bekommen wir schon mal den Fahrradständer, den der Verkäufer freundlicherweise einbaut. Der Laden hat eine Zweigstelle, die auf unserer Route liegt und dort seien derzeit zwei Mechaniker im Einsatz…. wir sollen einfach mal nachfragen. Das machen wir: in der Zweigstelle kann Kathrins Rad geholfen werden: ja, sie haben die passende Kette, Ritzel und Zeit. Ob wir eine halbe Stunde warten könnten? Es gibt auch Kaffee. Natürlich können wir! Wir kommen ins Gespräch und am Ende gibt es noch ein Foto für die Insta-Seite des Ladens.

Mit den besten Wünschen machen wir uns auf den Weg. Jetzt müssen wir noch einen Laden finden, der die passende Kette für Bens Hollandrad hat. Aber auch das gelingt und so haben beide Räder nun frische Ketten und lassen sich wieder wunderbar schalten und radeln!

80 km später fährt Kathrin über einen Stock, der mit einem großem Ruck das Schutzblech kaputt reißt. Zum Glück nur das Schutzblech, darauf kann auch verzichtet werden. Speichen wären schlimmer gewesen. Wir können weiterfahren!

Wir kommen in Liverpool/England an und wissen noch nicht so recht wohin. Erst laufen wir den Beatles über den Weg und dann kommen zwei Menschen auf uns zu: Juliane und Christian, zwei liebe Nachbarn aus Dortmund. Die Freude ist riesig! Wir setzen uns in die Sonne und tauschen uns lang und breit aus. Schließlich haben wir uns fast ein Jahr lang nicht gesehen. So eine Wohltat, Freunde zu treffen. Wir fühlen uns ganz aufgeregt und spritzig in Kopf und Bauch. Gemeinsam senden wir noch einen sängerischen Gruß an die Nachbarschaftstruppe und dann geht jeder wieder seiner Wege.

Kathrin fühlt sich komisch: müde und der Hals kratzt. Das wird doch nicht.….? Doch! Ein Test zeigt es an: Coronapositiv! So ein Mist. Nachdem wir den ersten Schock überwunden haben, suchen wir eine Wohnung in der wir uns für 6 Tage einquartieren und niemanden anstecken können. Sehr schnell finden wir ein Apartment, die Vermieterin ist höchst gelassen ob unserer Infektion und stellt uns sogar Brot, Butter, Kekse und Schokolade in die Wohnung. Da sitzen wir nun und warten. Zum Glück sind die Symptome mild und Ben ist (noch) negativ.

Irland 3

Die Situation an der Ostküste ist mit den Campingplätzen etwas unübersichtlich: es gibt jede Mange Plätze, aber nicht alle akzeptieren uns mit unserem Zelt. Warum das so ist haben wir nicht ganz verstanden. Andere Radfahrer mit denen wir sprechen berichten, dass es an der Westküste überhaupt kein Problem sei und die Plätze voll mit Zelten sind. Nun gut. Die Iren sind überaus freundliche und hilfsbereite Menschen und so finden wir dann nach einigem Hin und Her meist doch noch eine Lösung.

Auf dem Weg nach Dublin geraten wir in ein Straßenfahrradfest: Wicklow 200. An einem Tag können hier 200km durch das County Wicklow geradelt werden. Das ist uns zu viel, aber ein wenig fahren wir die Strecke mit und lassen uns von den schnellen Radlern anstecken. Manche lassen wir auch hinter uns: wir sind gut im Training!

Wir sind in Dublin! Wie schon häufig erlebt, ist in der Hauptstadt eines Landes vieles anders. So erscheint es uns auch hier. Das Tempo ist schneller, die Geräusche sind lauter und schriller und es gibt mehr sichtbare Armut. Dabei sind die Menschen hier so freundlich und liebenswürdig wie wir es auch bereits im Südosten des Landes erleben durften. Und so sammeln wir Eindrücke.

Auch in Dublin findet ein Umdenken pro Fahrrad statt. Es entstehen neue Radwege und Fußgängerbereiche. Allerdings ist nicht immer alles gut durchdacht und für größere Reiseräder (Kinderwagen, Rollatoren, Rollstühle) mitgedacht: an einigen Wegen kommen wir nur mit viel Geschiebe und Trickserei hindurch.

Irland 2

Vor allem hat uns Irland wegen seiner berühmten Musik angelockt. Die wollen wir finden und erleben, doch so ganz einfach ist das nicht, denn nicht an jedem Tag wird überall 24 Stunden lang Musik gemacht. Aber hier sind viele Menschen unterwegs, die, ebenso wie wir, gerne Musik machen und so kommt es, dass wir auf einem Campingplatz Pad und seine Frau kennenlernen. Wir spielen ein bisschen zusammen und sie versorgen uns mit Noten und hilfreichen Websites. Auf einem anderen Campingplatz gesellt sich Ad aus den Niederlanden mit seiner Geige zu uns. Er ist irischer Musikexperte und schon viele Jahre hier unterwegs. Auch er hat einen reichen Liederfundus, den er gerne mit uns teilt. In der Küche des Platzes entsteht so spontan eine Session. Die anderen Besucher freuen sich und feuern uns an.

Regen und Sonne und Wind und alles gleichzeitig gehören zu Irland dazu. Vier Jahreszeiten innerhalb eines Tages zu erleben ist keine Seltenheit. Wir machen Bekanntschaft mit den unterschiedlichsten Regensorten und den schnellen Wechseln. Ein paar Mal versuchen wir während eines heftigen Schauers schnell unsere Regensachen anzuziehen und sind wenig erfolgreich, denn sobald wir sie anhaben ist der Regen vorbei und die Sonne heizt uns in den wasserdichten Klamotten ein (Schwitzwasser kommt ja auch nicht raus). Wir machen es dann wie die Iren: ignorieren! In drei Minuten ist alles wieder anders.

Waterford! Eine Stadt, die an der Küste liegt und in der es eine Whiskeyberennerei gibt, die uns unser Whiskey-Freund Frank empfohlen hat. Da wollen wir eine Tour mitmachen. Im Internet kann man sich rein theoretisch anmelden, aber es ist kein Platz mehr zu haben und der nächste freie Termin ist erst in 2 Wochen. Egal denken wir, erst einmal hinfahren und fragen, ob jemand abgesprungen ist und wir dafür einspringen dürfen. Wir werden sehr nett empfangen und nach einigem hin und her findet sich am nächsten Tag ein Platz für uns. Geht doch! Aber warum wird so eine Tour um 11 Uhr am Morgen angeboten?? Da die anderen Besucher nicht erscheinen, bekommen wir eine private Tour, in der wir viel über puristische Whiskyproduktion lernen. Wir sind begeistert! Zum Glück wird uns ein Teil der Proben in kleinen Flaschen mitgegeben, so dass wir einen Teil des Whiskeytastings am Abend nach dem Radfahren im Zelt machen können.

Die Iren scheinen Gebote und Verbote zu lieben, die sie dann möglichst nicht befolgen. Überall entdecken wir Schilder, die irgendetwas verbieten und bei Nichtbeachtung mit drakonischen Strafen drohen. Oder es sind Gefahrenschilder angebracht in einer Vielzahl und Häufigkeit, die an Helikoptereltern erinnert. Wer traut hier wem nicht über den Weg? Der Staat seinen BürgerInnen? Auch Verhaltensregeln werden auf allgegenwärtigen Schildern kundgetan, sind keine Schilder zur Hand werden die Botschaften auf Hauswänden und Steinen aufgemalt. Wir fühlen uns ein wenig umzingelt.

Die Insel ist ein Traum in grün. Überall herrscht diese Farbe in unendlichen Schattierungen vor. Primär auf den Wiesen und Weiden, die sich wie dicke Decken auf die Landschaft legen. Aber auch in den Bäumen und dicht verwachsenen Wäldern. Wenn wir dadurch fahren ist es vollkommen klar, dass wir uns in einem Land befinden, das von Gnomen, Zwergen und anderen unsichtbaren Wesen bevölkert wird. Die Straßen sind von Mauern eingefasst, die mit Efeu, Farnen und Gräsern überwachsen sind und so einen grünen Rahmen bilden. Grün, grün, grün. Und dann die oft sehr bunten und farbstarken Häuser. Türen und Fenster und die ganze Fassade sind nicht zurückhaltend mausgrau, sondern knallbunt, rot, blau und gelb angemalt. Und dann auch noch überall Kühe und Schafe. Mega!

Wäsche waschen müssen wir auch ab und zu. Hier gibt es einen Outdoor-Waschsalon an der Tankstelle. Etwas zugig, aber die Wäsche wird sauber und trocken!

Irland 1

Wir kommen mit der Fähre in Irland an und wieder ist alles anders. Das Wetter: von warmen Sonnenstrahlen ist nix zu sehen und zu spüren, ein nebeliger, kalter Nieselregen legt sich auf uns als wir an Land gehen. (Wir hatten mit dem Gedanken gespielt ein paar von den warmen Wintersachen nach Hause zu schicken: nun sind wir froh, dass sie noch in den Satteltaschen warten.) Die Sprache: Englisch, das können wir ganz gut, denken wir, aber mit dem irischen Einfluss sind wir dann doch überfordert. Und echtes Irisch können wir sowieso nicht. Der Verkehr: alles auf links! Wir müssen uns ganz schön konzentrieren und die ersten Male, die uns ein Auto entgegenkommt sind wir sehr erschrocken, fährt es doch auf der „falschen“ Seite. Aber wir sind endlich in Irland und so radeln wir mit warmen Sachen fröhlich durch den Regen nach Cork.

Wir sind durchgeweicht und hätten gerne ein warmes Plätzchen in Cork zum trocknen und aufwärmen. Was wir nicht auf dem Schirm hatten: es ist Pfingstwochenende und auch in Irland ist das ein verlängertes Wochenende mit Feiertag. In Cork finden zudem an diesem Wochenende ein Musikfestival und der Cork-Marathon statt. Wir bekommen keine Unterkunft, alles ist restlos ausgebucht. Gar nix! Überhaupt nichts. Kein Platz! Na gut, dann gehen wir eben doch auf den Zeltplatz, der nicht in Cork, sondern noch mal 10km außerhalb in Blarney liegt.

Das Örtchen Blarney, in dem wir unser Zelt aufgeschlagen haben, ist für sein Schloß und den darin befindlichen Stein berühmt. Der Sage nach verleiht der Stein demjenigen, der ihn küsst Redegewandheit! Die Iren scheinen ein großes Bedürfnis danach zu haben, denn zum einen versprechen solche Stellen, die man küssen oder reiben soll normalerweise Glück, Gesundheit, Reichtum … so was in der Richtung. Zum anderen werden hier Busladungen angekarrt, die sich alle das Schloß und die Gärten anschauen, den Stein küssen und dann im großen Souvenirladen einkaufen sollen. Wir lassen das mit dem Stein und küssen uns lieber gegenseitig. Dann decken wir uns in dem riesigen Laden mit warmen Pulli (Ben) und Gummistiefeln (Kathrin) ein. Gut gerüstet können jetzt dem Regen und der Kälte trotzen. Wir sind in Irland! Sobald wir die Dinge erworben haben hört es auf zu regnen, die Sonne kommt raus und es wird warm. War ja klar!

Französische Fundstücke

Wir radeln durch die Bretagne, um nach Roscoff zu gelangen, denn von dort wollen wir die Fähre nach Irland nehmen. Der Weg führt uns auf dem Eurovelo 4 entlang und so bekommen wir einen spannenden Mix aus Küste, Feldern und verwunschenen Wäldern zu sehen. Wir waren schon einige Male in diesem Landstrich und sind erstaunt, wie anders wir ihn auf dem Rad wahrnehmen! Kleine Orte, die schon von weitem an den hohen und schlanken Kirchtürmen zu erkennen sind, herrliche Wälder mit Bäumen, die riesig sind, Blumen ohne Ende, die die Häuser umschließen, Kühe, Küste, Wasser und Ebbe…. Wir sind hin und weg!

Was uns unseren gesamten Weg durch Frankreich, von Marseille bis in die Bretagne begleitet, sind Schussgeräusche. In unregelmäßigen Abständen sind diese Schüsse zu hören. Die Anlagen sollen dazu dienen, die Vögel von den Feldern fernzuhalten, damit sie nicht die Saat auffressen. Es muss wohl funktionieren, denn sonst würde ja nicht ganz Frankreich mit diesem System arbeiten? Unser Eindruck ist dennoch, dass sich die meisten Vögel wenig davon beeinflussen lassen.

Wir schauen uns kleine und größere Kirchen an, an denen wir vorbei kommen. Wir wissen nichts über sie und haben keine Ahnung, in was wir da reinstolpern. Wir gehen einfach nur rein, wenn sie auf dem Weg liegen und wir gerade Lust dazu haben. In einer der Kirchen sehen wir eine Wand, die aussieht, als würden dort Vogelhäuschen ausgestellt sein. Bei näherem Hinschauen entpuppen sich die Vogelhäuschen als Schädelschreine: es werden die Schädel der Verstorbenen dort aufbewahrt (was ja dann doch eine Art Vogelhäuschen ist).

„Freiheit Gleichheit Brüderlichkeit“ ist das Motto unter dem Frankreich steht und das findet sich an fast jedem Rathaus. In der Bretagne auch auf bretonisch!

Als wir in Italien wegfuhren, ging dort gerade die Artischockenzeit zu Ende. Nun sind wir um einiges weiter im Norden und finden uns mitten in der Artischockenzeit, nun eben in Frankreich! Auf den Feldern stehen die kugeligen Früchte und auf den Märkten türmen sie sich!

Wir fahren nach Roscoff, ein kleiner Ort, von dem die Fähre nach Irland ablegt. Wir bekommen noch einen Platz und nach einem letzten Blick auf Frankreich geht es durch die Nacht nach Irland.

Frankreich 5

Wir sind vier Tag in Rennes, der Hauptstadt der Bretagne. Eine sehr schöne und gemütliche Stadt, aber noch viel schöner ist es, dass uns unsere Tochter besucht. Nach stundenlanger Fahrt mit dem Bus, der in Paris beinahe unter einer Brücke steckenbleibt, kommt sie in Rennens am Bahnhof an. Wir platzen fast vor Glück! Gemeinsam stromern wir in den nächsten Tagen durch die Stadt, bestaunen die bunten und überaus schiefen Fachwerkhäuser, kaufen auf dem riesigen Markt ein und machen Picknick im Park. Und natürlich machen wir uns über die bretonischen Galettes und Crêpes her.

Auf dem Markt wird auch getanzt und zwar zu Lifemusik. Die Band spielt Swing und eine Menge Menschen tanzen dazu, was unglaublich gute Laune macht. Allein nur vom Zuschauen!

Rennes hat auch ein Kunstmuseum, das wir gerne besuchen und ansehen. Im Eingang wird gerade eine spannende Lichtinstallation aufgebaut: viele bunte Kacheln, die zu Musik ihre Farbe wechseln und verschiedene Muster durchlaufen. Die restliche Ausstellung des Museums lässt uns immer wieder schmunzeln, bzw. laut lachen. Die Hängung ist sehr eigenartig und die Idee dahinter durchschauen wir nicht, aber selten hatten wir einen so ungewöhnlichen Museumsbesuch!

Wir sind wieder allein, unsere Tochter ist auf dem Rückweg nach Deutschland und wir radeln aus Rennes raus. Das kann man sehr schön entlang der Rance tun, einem Fluss, der ca. 123 Schleusen aufweisen kann. Es sind wahrscheinlich weniger, aber gefühlt kommen wir alle 2 Minuten an einer vorbei. Das Nette ist, dass die meisten der Schleusen in der gleichen Farbe wie die Fensterläden der Schleusenhäuschen gestrichen sind. Alles farblich schön aufeinander abgestimmt und wir sind neugierig, welche Farbe als nächstes um die Kurve lugt.

Ben hat eine Zauberhupe an seinem Rad angebracht. Mit dieser Hupe kann Ben den meisten Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern, wenn wir an ihnen vorbeidüsen und das Hup-Hup ertönt, müssen fast alle grinsen.